Tibor Zsigmond (64) ist, nach eigener Aussage, Kölner Imi. Er lebt und arbeitet seit 40 Jahren als Künstler in Köln. Er ist in Mülheim/Ruhr aufgewachsen und nach seiner Lehre als Kunstglaser und Glasmaler mit 20 nach Köln gekommen. Wir kennen uns über Agenturinhaber Werner Stahl, in dessen Schaufenster ich nach Tibor ausstellen durfte. Ich habe Tibor das erste Mal an einem Sonntag Nachmittag in seinem herrlichen Atelier in Niehl besucht.
LG: Du hast einen Umweg nach Köln genommen.
Tibor: Ja, ich habe in Rheinbach eine Ausbildung zum Glasmaler und Kunstglaser gemacht und bin erst danach an die damalige Werkschule nach Köln gegangen. Die funktionierte wie eine Kunstakademie, durfte damals vermutlich aber wegen der möglichen Konkurrenz zu Düsseldorf nicht Akademie heißen. Das war für mich ein ganz natürlicher Prozess, hier hängen zu bleiben. Ich bin in einem Alter hier angekommen, in dem man sich entweder anders orientiert oder dauerhaft bleibt. Damals war die Kölner Kunstszene sehr lebendig und interessant. Das lag sicher auch an der recht umfangreichen Kunstförderung. Das hat der Stadt gut getan. Seit Mitte der 80er ist das leider nicht mehr so. Das Geld wird nicht mehr so leicht für Kunst ausgegeben.
LG: Kunst ist ja nicht an den Ort gebunden. Würdest Du auch woanders leben wollen? Was wäre eine Alternative zu Köln?
Tibor: Ich liebe die Großstädte des europäischen Südens. Meine Frau stammt aus Thessaloniki. Das Leben im Süden spielt sich auf der Straße ab – alles ist sehr offen. Das mag ich sehr. Ich bin aber nicht sehr viel weggekommen. Das hätte ich vielleicht sollen….
LG: Und Köln? Hier ist es doch auch recht offen.
Tibor: Ich lebe nicht in Köln, weil es hier so offen ist. Ich glaube auch nicht, dass die Offenheit, die man in Köln findet, unbedingt auf Kölner Traditionen beruht. Es ist eher ein Mix aus den Leuten, die hier herkommen und die etwas mitgebracht haben, z. B. die Offenheit. Das gilt natürlich nicht nur für die Deutschen, die nach Köln kommen. Die vielen Südeuropäer, die schon früher nach Köln gekommen sind, haben die Stadt sicher mit geprägt. Es gab hier mal eine Menge Italiener. Vielleicht ist das Flair ja geblieben?
LG: In welchem Stadtteil lebst Du heute?
Tibor: Ich lebe jetzt schon lange in Nippes. Meine Frau würde gerne mal woanders in Köln wohnen, in der Südstadt beispielsweise. Aber ich mag Nippes sehr. Gemütlich, direkt, ehrlich.
LG: Köln wird ja häufig vorgeworfen, dass es oberflächlich ist. Siehst Du das auch so?
Tibor: Oberflächlich muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Man könnte das auch als „easy living“ bezeichnen. Es muss nicht immer alles Tiefe haben. Das macht es Fremden dann ja auch leichter reinzukommen. Und vielleicht ist es ja wirklich einfach „den anderen leben lassen“. Als ich vor 40 Jahren hierher kam, war ich davon beeindruckt, dass Frauen jeden Alters alleine ganz selbstverständlich und selbstbewusst an einer Bar stehen konnten. In Mülheim gab’s das damals noch nicht.
LG: Woher stammt Deine Familie und Dein Nachname?
Tibor: Mein Vater hat ungarische Vorfahren, meine Mutter stammt aus Deutschland.
LG: Wie finanzierst Du Dich? Kannst Du von Deiner Kunst leben?
Tibor: Mal so, mal so. Ich habe einige sehr treue Kunden, die immer mal wieder kleinere Zeichnungen kaufen. Manchmal läuft es prima. Und wenn es mal nicht so prima läuft, habe ich verschiedene Jobs. Früher habe ich viel beim Stadtanzeiger gearbeitet. Das war eine gute Zeit. Ich habe damals gerade gut meine Kunst verkauft und außerdem ein stabiles Einkommen beim Stadtanzeiger gehabt, konnte aber auch jeden Tag im Atelier sein und dort arbeiten und meinem Kopf für die Kunst freibekommen.
Heute unterstütze ich oft einen Freund, der eine eigene kleine Firma hat. Meine Frau arbeitet. Ohne das würde es nicht gehen. Ein Kind muss finanziert werden, auch wenn die Kunst gerade nicht gut läuft.
LG: Wie ist das dann für Dich?
Tibor: Wenn es mal ganz ganz eng wird, ist das ein sehr komisches Gefühlt. Aber was soll’s: Ich tue, was ich gerne tue. Das ist ein Geschenk.
Es ist ja auch nicht so, dass ich eine Wahl hatte. Ich habe mir nicht ausgesucht, Künstler zu werden. Es hat mich in die Kunst hineingezogen und ich könnte mir auch nichts anderes vorstellen.
LG: Wie ist das Leben als Künstler?
Tibor: Nicht so, wie sich andere das vielleicht vorstellen. Ich habe früher immer gesagt, dass ich Architekt werden will, aber eben nur, weil man mich gefragt hat und man das wohl erwartete. Ich brauchte lange, um selbst zu erkennen, dass ich tatsächlich Künstler bin und mich auch selbst so nannte. Nach außen hin muss man offenbar bestimmte Kriterien erfüllen, um als Künstler anerkannt zu werden. Erfolgreich, berühmt … und man muss gut verkaufen. Die meisten können nicht nachvollziehen, dass man seit 40 Jahren so lebt wie ich, also eben auch ohne berühmt und reich zu sein, aber dennoch ganz der Kunst zugewandt.
LG: Wie bewirbst Du denn Deine Arbeit? Im Internet gibt’s nicht viel von Dir.
Tibor: Ich glaube auch nicht, dass das Internet für mich bzw. meine Kunst geeignet ist. Werbung wird vor allem über Ausstellungen gemacht. Aber ohne guten Galeristen kommst Du über ein gewisses Level nicht hinaus. Heute habe ich keinen Galeristen und ich bin vielleicht auch zu alt. Die suchen was anderes.
LG: Zu alt? Wie das?
Tibor: Ich habe früher mit Galeristen gearbeitet. Aber da kann man nicht mehr unabhängig arbeiten. Und das wollte ich eben nicht. Heute suchen die andere Künstler, jüngere, die man noch besser formen und vermarkten kann. Ich denke aber, ein guter Galerist liebt deine Arbeit. Der hält auch zu Dir, wenn’s mal nicht sofort gut läuft.
LG: Wie entsteht Deine Kunst eigentlich? Wie entstehen Deine Bilder?
Tibor: In meiner Kunst ist der Mensch – das figürliche – zentrales Element. Sehr früh haben mich die Kykladenidole stark beeinflusst. Sehr schlicht, aber stark. In etwa wie die Figuren der Osterinseln. Das sprach mich sehr an. Und darauf baue ich noch heute auf. Vielleicht hat ein Henry Moore ja genauso empfunden. Ich habe auch, anders als viele andere Künstler, den Weg von der Abstraktion zum Realistischen genommen.
Ansonsten spiele ich mit meinen eigenen Ideen und sehe einfach, wohin mich das führt. Oft kombiniere ich zwei Ideen, die ich irgendwann mal hatte. Und daraus entsteht dann etwas Neues.
Ich bin viel hier im Atelier. Ob es gut läuft, kommt oft darauf an, wie ich aus dem Atelier am Abend vorher raus bin. Wenn es gut lief und ich positiv aus dem Atelier rausgegangen bin, läuft es am Anfang des nächsten Tages wieder gut. Dann stehe ich manchmal vor einem Bild und halte mich für den Größten… und am nächsten Tag läuft es nicht gut und ich fühle mich dann sehr klein. Das ist für die Menschen um mich herum nicht immer einfach. Meine Frau lässt mich aber gewähren, sie lässt das zu. Manchmal übermale ich Bilder, die ich nicht mag. Es macht keinen Sinn, so ein Bild in der Ecke stehen zu lassen. Das wird ja nicht von alleine besser. Dann brauche ich eher den großen Pinsel (lacht).
LG: Hattest Du nie den Wunsch, etwas anderes zu machen?
Tibor: Nie! Ich wollte nie in einem Büro arbeiten. Das ist sicher keine schlechte Sache, aber eben nichts für mich. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass mich ein anderes Leben genauso ausfüllt wie meins. Das ist meine ideale Form zu leben…. auch wenn schon mal mehr Geld da sein könnte. (lacht)
LG: Ist das nicht manchmal hart?
Tibor: Man braucht eben Disziplin – ohne geht es nicht. Ich brauche den Tagesrhythmus. Ich könnte nicht den ganzen Tag im Bett liegenbleiben. Das war schon in meinen jungen Jahren so, auch als ich noch viel ausgegangen bin. Ich tue das ja für mich…. und es ist ohnehin eine Art Obsession.
Tibor im Internet:
Digitale und analoge Fotografien und Interview: Lars Gehrlein, Köln, 2013
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