Jasmin Assen (34) ist Kölnerin und unter anderem Sängerin, Gesangslehrerin, Texterin, Video-Bloggerin, Moderatorin, und Kulturbotschafterin für vieles Kreative in und um Köln. Sie hat deutsche und tunesische Wurzeln, ist in Kalk aufgewachsen, mit 14 Zuhause ausgezogen und über die International Baptist Church zum Gospel und zur Musik gekommen. Heute lebt Jasmin im Kölner Stadtteil Humboldt/Gremberg. Wir haben uns am „Le Bloc“-Samstag im Hallmackenreuther im Belgischen Viertel getroffen.

LG: Mit 14 ausgezogen? Das stelle ich mir schwierig vor.

Jasmin: Für mich war das damals das einzig Richtige. Bei meiner Mutter ging das nicht mehr, und das Jugendamt hat das befürwortet und mich dabei unterstützt. Ich musste damit zwar direkt auf eigenen Beinen stehen, hatte von da an aber endlich mal Ruhe und auch Raum für Kreativität und viele Entfaltungsmöglichkeiten.

Menschen in Köln: Jasmin Assen Menschen in Köln: Jasmin Assen

LG: Und wie bist Du dann zur Musik gekommen?

Jasmin: Ich habe immer schon gerne gesungen. Und nachdem ich ausgezogen war, bin ich zum Chor der International Baptist Church in der Rheinaustraße gekommen. Da war ich mal bei einer Chorprobe und dann hat sich das für mich einfach richtig weiter entwickelt. Die Menschen dort sind so etwas wie eine Ersatzfamilie für mich geworden. Ich habe dort viele für mein Leben wichtige Menschen kennengelernt. Meinen ersten Produzenten und meine erste Managerin habe ich auch dort kennen gelernt. Ich konnte dann schon früh mein erstes Geld mit Musik verdienen, mit Gesang und indem ich Texte für andere geschrieben habe.

LG: Erzählst Du mir etwas über Dein neues Projekt „Köln Kaltscha“?

Jasmin: KölnKaltscha ist WebTV. Es gibt in Köln und der näheren Umgebung sehr viele Kultur-Perlen, die man kaum kennt und ich werde einfach oft danach gefragt. So war das auch mit Session Possible TV. Ich war eigentlich Sängerin auf einer der Veranstaltungen von Wolf Codera. Ich hatte kurz zuvor eine kleine Geschichte über einen Zugführer der Bahn bei Facebook gepostet. Die wurde immer weiter geliked und geteilt und so sind ein paar tausend Likes zusammengekommen. Das hat Wolf mitbekommen und mich gefragt, ob ich mich nicht für ihn den Themen junges Publikum und Social Media annehmen könnte. Und seither mache ich den Video Blog für Wolf Coderas Session Possible.

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Und ‘Köln Kaltscha’ TV, ist nur die logische Konsequenz aus meiner eigenen Existenz. Ich werde einerseits oft zu tollen, aber unbekannten Veranstaltungen eingeladen. Andererseits rufen mich auch dauernd Leute an und fragen, was man denn gerade unternehmen könnte, wo man hingehen kann, ob ich wohl einen Tipp hätte. Vielleicht hab ich auch nur so etwas wie ein Näschen für gute Sachen (grinst sehr breit). Es gibt so klasse kreative Sachen in Köln und oft weiß davon einfach keiner. Viel Musik, aber auch tolle Comedy und andere außergewöhnliche Kunst.

LG: Was ist denn der weitere Plan für Köln Kaltscha?

Jasmin: Einen genauen Plan gibt’s eigentlich derzeit noch nicht. Wir wollten einfach starten und die Vielseitigkeit dieser Stadt bekanntmachen. Köln ist ne coole Sau, aber wie cool wissen die meisten nicht! Einfach die Idee mal in die Welt hinauslassen und schauen, was zurückkommt. Aber es gibt jetzt schon die ersten Mails mit Anfragen und Angeboten von anderen. Ein Freund von mir wird z.B. auf der Gay Pride singen und hat gefragt, ob wir da was machen wollen. Aber wir stehen ganz am Anfang.

Generell gibt es in Köln sehr viele kreative Leute. Überall brodelt es, und das Ergebnis ist komplett über die Stadt verteilt. Vor kurzem ist eine Zeichnerin auf mich zugekommen und wollte mich zeichnen. Oder die Leute vom null22eins Magazin, die mit wahnsinnig viel Herzblut ehrenamtlich an Ihrem Magazin arbeiten und so ein tolles hochwertiges Stadtmagazin produzieren.

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LG: Wo kommt Deiner Meinung nach diese ganze Kreativität in Köln denn her?

Jasmin: Köln ist eine Medienstadt, das bringt es mit sich. Aber Köln ist ebenfalls bunt und multikulturell und ich denke, das liegt auch viel an den Zugereisten. Türken, Italiener oder auch Franzosen. In Humboldt/Gremberg, wo ich wohne, herrscht echt mediterranes Wohnflair. Da stellen die Menschen bei gutem Wetter ihre Stühle auf die Straße und leben gemäß ihrer Herkunft die Leichtigkeit des Seins. Sie leben nicht einfach in Co-Existenz, sondern miteinander und schätzen sich.

LG: Das scheint Dir wichtig zu sein.

Jasmin: Ja, ist es. Ich hatte vor kurzem einen Traum, in dem ich gestorben bin. Das schlimme daran war aber nicht, dass ich Tod war, sondern, dass ich im Traum-Tod keine Gelegenheit mehr hatte, allen, die ich liebe, das oft und klar genug gesagt zu haben. Ich finde, man sollte am Lebensende möglichst kein „ach, hätt ich doch“ übrig haben. Am nächsten Tag habe ich dann eine Menge von ehrlichen, emotionalen handschriftlichen Briefen an meine Lieben geschrieben und verschickt, damit es mir nicht ergeht, wie in dem Traum.

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LG: Wir waren die Reaktionen?

Jasmin: Ich denke, es war niemand davon wirklich überrascht. Ich bin recht ehrlich im Bezug auf meine Emotionen (lacht). Aber es gab sehr viele sehr herzliche und innige Reaktionen. Viele haben meinen Brief zum Anlass genommen, um sich selbst mal kund zu tun.

Ich habe nicht wirklich überlegt, was ich da tue. Ich habe einfach intuitiv geschrieben, habe es einfach gemacht. Ich denke, alles, was man von Herzen tut, hat bereits deshalb seinen eigenen Wert.

„Die Welt ist, was man daraus macht“. Wie man u. a. in der Türkei gerade sehen kann. Die Menschen dort wollten eigentlich nur ein paar Bäume in einem Park schützen. Tolle Initiative! Und schau dir an, was daraus gewachsen ist! Viel Leid, aber als Gegenreaktion genauso viel Solidarität und Menschlichkeit vom Volk.

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LG: Wenn du machen könntest, was du wolltest, was würdest du machen wollen?

(gerade als die Frage meinen Mund verlassen hat, merke ich, dass das bei Jasmin wohl irgendwie eine unsinnige Frage ist)

Jasmin: Es gibt 1.000 unterschiedliche Dinge, die ich mache! Singen, Texten, Moderieren, Gesangslehrerin… ich war auch schon mal Flugbegleiterin, zwei Jahre lang, Übersetzerin sowie Disponentin für ein Fitnessstudio. Ich tue einfach immer, was ich tun möchte und von dem ich überzeugt bin. Irgendwie übernehme ich oft die Rolle eines Kommunikators, so etwas wie ein Katalysator für die Gefühle und Stimmungen anderer Menschen. Ich kann recht gut „lesen“, was andere gerade empfinden oder wünschen.

Ich glaube, wenn man etwas tut, was einem selbst wirklich etwas gibt, dann gibt das auch anderen etwas. Und wenn man authentisch ist, erlaubt und animiert man auch Authentizität in seinem Umfeld.

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LG: Und Du wusstest schon immer, was Du wolltest?

Jasmin: So ziemlich. Ich war ein „abgefahrenes Kind“. Ich war z.B. als Fünfjährige total sicher, dass ich nach der Geburt im Krankenhaus vertauscht wurde, weil ich mich meiner Familie so gar nicht zugehörig fühlte. Und dann habe ich eben ein Jahr lang nicht mit meiner Mutter gesprochen, weil ich die Notwendigkeit nicht empfunden habe. Ich bin immer, wenn es klingelte, an die Tür gerannt, weil ich dachte, meine richtigen Eltern kommen mich abholen.  Meine Mutter war damals wohl sehr verzweifelt mit mir.

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LG: Du hast nicht unbedingt immer den leichten Weg genommen.

Jasmin: Wie auch? Viele Menschen haben schlechte Zeiten hinter sich, that’s life! Es kommt drauf an, was man daraus macht. Ich komme aus einer Situation, die wirklich nicht die leichteste war. Aber ich habe mir mein Leben daraus aufgebaut und es als Möglichkeit genutzt und auch verstanden, daran zu wachsen. Ich habe tolle Menschen getroffen, die ebenfalls eine wirklich harte Zeit hinter sich haben, aber immer ehrlich waren und mir gegenüber „die Hosen runtergelassen haben“. Es hat mir sehr gut getan zu sehen und zu spüren, wie diese Menschen mit Herz und Ehrlichkeit ihren Weg gehen. Und das selbst die „krasseste menschliche Granate“ Momente der Verzweiflung und Handlungsunfähigkeit kennt. Denn jeder Mensch ist mal schwach. Authentizität ist eine der wichtigsten und wertvollsten Charaktereigenschaften und bewirkt Zusammengehörigkeit.

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 LG: Hast Du mal überlegt, woanders neu anzufangen, in einer anderen Stadt zu wohnen?

Jasmin: Ich denke irgendwie, dass mich meine Lieben hier brauchen und habe deshalb den „Egoismus“ wegzugehen bisher noch nicht aufgebracht. Das kommt aber vielleicht noch. Who knows. Viele behaupten ja, dass man das mal gemacht haben müsste. Auf der anderen Seite bin ich hier auch in meiner Mitte. Das ist ein sehr wohliges Gefühl. Wozu dann in die Ferne schweifen?!

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Fotografien und Interview: Lars Gehrlein, Köln, 2013

Veröffentlicht von Lars Gehrlein

Lars Gehrlein ist ein Reise- und Porträtfotograf aus Köln. Er ist immer auf der Suche nach Geschichten über (noch) unbekannte Menschen und Orte, um sie zu erzählen oder zu fotografieren.

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